Darf es auch etwas mehr sein? Wir haben 10 Vinyl-Reissues gefunden, die klanglich mehr zu bieten haben als frühere Versionen.

Längst nicht alle Vinyl-Wiederveröffentlichungen halten, was sie versprechen. Eigentlich möchte man doch einfach eine Schallplatte kaufen, die genauso gut klingt, wie das Original. Nur ohne Kratzer, Knistern und Eselsohren im Cover. Pustekuchen! Manche Neuauflagen können klanglich nicht mit den Originalen mithalten. Und das obwohl sie doch für die Wiederveröffentlichung extra remastert oder gar remixt wurden. Umso schöner, dass es auch zahlreiche Beispiele für aktuelle LPs mit hervorragendem Klang gibt. Wir zeigen 10 aktuelle LP-Reissues, die besser klingen als das Original.
1. Out Of Time – R.E.M., Concord Bicycle Music 2016


Das siebte Studioalbum von R.E.M. aus dem Jahr 1991 brachte mit Hits wie Losing My Religion oder Shiny Happy People den ganz großen Durchbruch. Klanglich macht die Originalfassung Druck in der Rhythmussektion und bildet die einzelnen Instrumente klar umrissen ab. Im Vergleich dazu ist das Reissue aus dem Jahr 2016 zwar insgesamt etwas weniger laut und weniger komprimiert. Dadurch kommen mehr dynamische Nuancen zum Vorschein als beim Original. Insgesamt wirkt das Reissue etwas luftiger und minimal heller. Wegen des geringeren Pegels muss die Wiedergabelautstärke angehoben werden. Dann macht die 2016er Pressung mit einem extrem lebhaften Klangbild und vielen dynamischen Detail aber richtig Spaß. Chris Bellman hat beim Mastern einen tollen Job gemacht.
Den ausführlichen Bericht zu Out Of Time gib es hier
2. Brothers In Arms – Dire Straits, Mobile Fidelity Sound Lab (45RPM)


Das Original von Brothers In Arms aus dem Jahr 1985 war mit 47 Minuten Laufzeit bis zum Überquellen vollgepackt. Im Unterschied zur CD verwendete die LP-Version schon gekürzte Versionen der meisten Songs, damit alles irgendwie doch noch draufpasste. Und so klingt es auch. Denn bei derart langen Laufzeiten pro Plattenseite werden die Rillen enger geschnitten, als dem Klang gut tut.
Derlei Probleme gibt es beim Doppelalbum von Mobile Fidelity Sound Lab nicht. Trotz der höheren Abspielgeschwindigkeit mit 45 Umdrehungen pro Minute müssen stets nur zwei oder drei Titel auf einer Albumseite Platz finden. Entsprechend gut klingt sie auch. Sowohl im Bass wie in den Höhen ist alles da, was die digitale Aufnahme hergibt. Alles klingt größer und fetter als auf der 1985er. Das Doppelalbum von Mobile Fidelity Sound Lab erfüllt somit sämtliche Erwartungen und lässt die Herzen der Fans von Mark Knopfler & Co. höher schlagen.
Den ausführlichen Bericht zu Brothers In Arms von Mobile Fidelity gib es hier.
3. Brothers In Arms – Dire Straits, Abbey Road Remaster (45RPM)


Auch die Abbey Road Remaster-Pressung von Brothers In Arms punktet damit, dass sie die längeren CD-Versionen der Songs verwendet. Die Abbey Road-Pressung kommt ebenfalls als Doppelalbum mit 45RPM ins Haus. Sie besitzt dieselben Stärken wie die Mobile Fidelity, also eine außergewöhnlich gut austarierte Stereobühne und jede Menge Dynamik und Druck, dort wo es nötig ist. Klanglich ist sie auf der runderen Seite. Im Vergleich zur Mobile Fidelity braucht sie sich nicht zu verstecken. Das Original sowie die aktuelle Back To Black-Version haben gegen die Abbey Road (und auch die Mobile Fidelity) keine Chance.
Den ausführlichen Bericht zu Brothers In Arms als Abbey Road Remaster gib es hier.
4. Animals – Pink Floyd, 2016 Remaster


Bernie Grundman und sein Team haben 2016 den gesamten Pink Floyd Katalog von den analogen Mastertapes neu gemastert. Die Ergebnisse fand ich in fast allen Fällen ziemlich gut, wie auch die Vergleiche von The Dark Side Of The Moon oder Ummagumma zeigen. Besser als das Original fand ich bislang aber nur die vorliegende Animals. Der Neuauflage erhält den warmen Grundsound der Vorlage und pustet dennoch ein wenig frischen Wind in das Klangbild. Die 2016er bietet alles, was das Original auszeichnete: Druck, Wärme, Ausgewogenheit. Und on Top gibt es die schärfere Instrumententrennung plus ein paar Glanzlichter in den Höhen. Dieses Vinyl-Reissue ist jeden Cent wert.
Den ausführlichen Bericht zu Animals gibt es hier.
5. Blood On The Tracks – Bob Dylan, Mobile Fidelity (One Step)


Die MoFi Onestep Ultradisc von Bob Dylans Blood On The Tracks schlug die holländische Erstpressung von 1975 mit so großem Abstand, wie ich es selten erlebt habe. Für die One Steps treibt Mobile Fidelity Sound Lab einen gewaltigen Aufwand der im Ergebnis jederzeit zu hören ist. Jede Nuance des Spiels wird hörbar. Gitarren bekommen mehr Körper, jeder Anschlag des Klaviers lässt sich unterscheiden, die Stereobühne ist breiter, die Staffelung tiefer. Einfach alles ist besser… Diese Qualität hat ihren Preis. Die streng limitierte One Step-Box ist nur für dreistellige Beträge zu bekommen. Trotzdem: Das muss man mal gehört haben.
Den ausführlichen Bericht zu Blood On The Tracks (One Step) gibt es hier.
6. Joan Armatrading – Joan Armatrading, Intervention Records


Auf ihrem dritten Album fand Joan Armatrading mit der Unterstützung von Star-Produzent Glyn Johns ganz zu sich. Songs wie Down To Zero oder Tall In The Saddle klangen dabei schon auf dem Original echt stark. Druck, Transparenz, Details, Bühne – alles da.
Aber was Master-Meister Kevin Gray für das 2020er Reissue von Intervention Records aus den Aufnahmen herausgeholt hat, setzt in jeder Beziehung noch einen drauf. Die Stereobühne hat sich nochmal deutlich verbreitert. Die akustische Ovation-Gitarre schimmert als hätte sie einen Satz neuer Saiten erhalten. Dabei klingt die Scheibe immer warm und dennoch transparent. Die 2020er kann alles, was das Original von 1976 auch konnte. Aber wie die lästige Streber-Schwester alles etwas besser.
Den ausführlichen Bericht zu Joan Armatrading gibt es hier.
7. Seconds Out – Genesis, Abbey Road Remaster


Für eine Live-Platte klingt Seconds Out schon immer erstaunlich gut. Mit dem Album feierten Genesis den gelungenen Neustart nach dem Abschied von Peter Gabriel. Zwei erfolgreiche Tourneen wurden hier dokumentiert, bevor mit Gitarrist Steve Hackett der nächste aus der goldenen Besetzung das Handtuch schmiss.
Und wie klingt die audiophile Wiederveröffentlichung von 2019? In den Abbey Road Studios wird im Half Speed Master Verfahren geschnitten, was schon aus Prinzip ein paar klangliche Vorteile mit sich bringen soll. Hier schlägt sich das in größerer Dynamik und klareren Höhen nieder. Die neue Secons Out klingt, als habe jemand einen Vorhang vor den Lautsprechern weggezogen. Vor allem die Stimmen und das Schlagzeug profitieren von dieser größeren Klarheit. Ganz besonders deutlich wird dies etwa bei den Drum-Battles zwischen Phil Collins und Chester Thompson. Alle lauten und komplexen Pasagen gewinnen in der Neufassung. Und davon gibt es bei Genesis bekanntlich jede Menge.
Den ausführlichen Bericht zu Seconds Out gib es hier.
8. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band – The Beatles, 2017 Remix


Bin ich eigentlich der einzige, den dieses „Beatles-Stereo“ nervt, bei dem der Gesang aus dem einen Kanal kommt, während die Band im anderen Kanal spielt? Als 2017 ein Stereo-Remix erschien, hagelte es jedenfalls vernichtende Kritiken. Nun gut. Viele Sammler stehen Veränderungen am Werk der Beatles – vorsichtig gesagt – „reserviert“ – gegenüber.
Dabei ist die Sache für mich völlig klar: Diese Neuabmischung klingt meilenweit besser als das Stereo-Original. Und wahrscheinlich gibt der Remix die künstlerische Absicht der Beatles weitaus genauer wieder, als die stiefmütterlich behandelten Stereo-Mixe von 1967.
Der klangliche Fortschritt ist bei Sgt. Pepper viel deutlicher zu erkennen als beispielsweise bei dem ebenfalls neu abgemischten Weißen Album oder Abbey Road. Dass die Veränderungen nicht in jedem Stück sofort auffallen, beweist, wie behutsam Giles Martin ans Werk ging. Manche Stücke machen dagegen beeindruckende klangliche Fortschritte. Lucy In The Sky With Diamonds, Getting Better oder A Day in The Life gewinnen auf der ganzen Linie.
Den ausführlichen Bericht zu Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band gibt es hier.
9. Wildflowers & All The Rest – Tom Petty, 2020


Die frühen LP-Versionen von Tom Pettys Soloalbum Wildflowers waren zwar analog aufgenommen aber digital für CD gemastert. Die kleinen LP-Auflagen spielten kommerziell gesehen eigentlich keine echte Rolle. Zum Glück klang Produktion von Produzent Rick Rubin schon ziemlich gut: luftig, transparent, breite Bühne, Tiefenstaffelung.
Das Ausgangsmaterial für Wildflowers & All The Rest, die Neuauflage im Jahr 2020,war also echt nicht schlecht: Und doch gelang es Chris Bellmann für Bernie Grundman Mastering noch einen Tick mehr aus den Original-Bändern herauszuholen. Viel besser kann eine Rock-Produktion nicht klingen.
Den ausführlichen Bericht zu Wildflowers & All The Rest gibt es hier.
10. Friday Night In San Francisco – Di Meola, McLauglin, De Lucia, Impex (45 RPM)


Mit dem Klang meines Originals, einer Philips-Pressung von 1981, hatte ich nie Probleme. Die fesselnde Performance der drei Virtuosen hat auch klanglich einiges zu bieten. Die zwei Ovation-Gitarren von Di Meola und McLaughlin sowie das nylonbesaitete Flamenco-Instrument von De Lucia sprühen nur so vor Klangfarben und dynamischer Details. So dachte ich jedenfalls.
Bis ich die Impex-Platte gehört habe. Das Doppelalbum läuft mit 45RPM und ist etwas lauter. Doch auch mit angepasstem Lautstärkelevel schlägt die Impex die Philips um Längen. In Sachen Dynamik legt die 45er eine Schippe drauf. Klangfarben, Bühne und Staffelung gewinnen in jeder Beziehung.
Die Impex-Doppel-LP ist beileibe nicht billig. Doch nur bei wenigen audiophilen Reissues wird der Klangunterschied so deutlich wie hier. Klare Kaufempfehlung!
Den ausführlichen Bericht zu Friday Night In San Francisco von Impex gibt es hier.
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