Aqualung von Jethro Tull hat 50 Jahre auf dem Buckel. Eine UHQR-Neuauflage will jetzt zeigen, was wirklich in den Aufnahmen steckt.
Wie entstand Aqualung von Jethro Tull?


Aqualung ist das vierte Studioalbum von Jethro Tull. Es erschien im März 1971 und war das erste Album mit Keyboarder John Evans als festem Bandmitglied und dem Bassisten Jeffrey Hammond. Gleichzeitig war es das letzte Album, bei dem Drummer Clive Bunker mitwirkte, bevor dieser kurz nach den Aufnahmen ausstieg.
Die Aufnahmen fanden ab April 1970 hauptsächlich in den Studios von Island Records statt, wo zeitgleich auch Led Zeppelin am namenlosen vierten Album arbeitete. Die Arbeit in dem neueröffneten Studio bezeichnete Bandleader Ian Anderson als schwierig. Jethro Tull mussten im größeren der beiden Aufnahmeräume aufnehmen, der sich in einem alten Kirchenschiff befand. Anderson hasste die kalte und hallige Raumakustik darin.
Auch beim Mix soll es Probleme gegeben haben, da die Abhörmonitore nicht korrekt auf den Raum eingemessen waren. Daher wurde die Band mit dem klanglichen Endergebnis nicht glücklich und beauftragte 2011 Steve Wilson mit einem Remix des Albums.
Welche Versionen von Aqualung vergleichen wir?
Pressung 1: Die UK-Erstpresung von Aqualung aus dem Jahr 1971 kam vor langer Zeit über viele Umwege in unsere Sammlung. Sie steckte ursprünglich in einem Gatefold-Cover aus Karton mit einer Textur, die eine Leinwand für ein Ölgemälde imitiert. Das Gemälde im Innern wurde vom Vorbesitzer entfernt, doch die Innenhülle mit den Songtexten blieb erhalten. Das Vinyl wiegt 162g und hat in den vergangenen 50 Jahren einige Kampfspuren abgekriegt, lässt sich aber noch gut durchhören.
Pressung 2: Wir vergleichen mit einer UHQR-Edelpressung von Analogue Productions. Für dieses auf 5.000 Stück limitierte Boxset wurde 2020 weder Kosten noch Mühen gescheut, um die bestklingende Version herzustellen. Chris Bellman erledigte den Lackschnitt von den originalen analogen Masterbändern. Gepresst wurde das Doppelalbum, das mit 45RPM abgespielt wird, bei Quality Record Pressings auf einer manuellen Hightech-Presse in 200g sogenanntem “Clarity Vinyl”, also milchigem Vinyl ohne Farbzusätze, das beim Abspielen besonders wenige Nebengeräusche produzieren soll. Im Boxset mit hölzernem Rücken steckt ein Schuber mit dem Album im originalen Gatefold-Cover sowie ein Insert mit den Songtexten plus ein Zertifikat zum Herstellungsprozess.
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Wie unterscheiden sich die Pegel und Dynamik der UK- und der UHQR-Pressung?

Das Wellenform-Diagramm für das Titelstück Aqualung sieht in beiden Fällen auf den ersten Blick gut aus. Laute Passagen sind laut ausgesteuert, leise Passagen mit niedrigerem Pegel und der Abstand zwischen laut und leise fällt bei beiden Pressungen recht groß aus. Auch in Sachen Kompression geben sich beide Versionen keine Blöße. Wer ganz genau hinschaut, erkennt, dass die 1971er UK-Erstpressung einen Tick mehr Kompression abgekriegt hat als die UHQR. Dieser Unterschied ist in diesem Stück jedoch definitiv nicht hörbar.

Im Diagramm für Mother Goose dreht sich dieser Eindruck um. Hier zeigt sich insbesondere in den Bereichen um die schwarzen Pfeile, dass die UHQR in den lauteren Passagen stärker komprimiert wurde. In den leiseren Passagen lässt sich dagegen kaum ein Unterschied zwischen den beiden Pressungen erkennen.

Das Wellenform-Diagramm für My God zeigt eine Besonderheit, die wir bislang noch nicht hatten. Linker und rechter Stereokanal wurden für das originale Master und das Remaster unterschiedlich behandelt. Im Bereich der blauen und schwarzen Pfeile sehen wir beispielsweise, dass der linke Kanal (elektrische Gitarre) der 1971er-Version etwas höher gepegelt wurde. Rund um die roten und grünen Pfeile lässt sich ablesen, dass für die UHQR-Version der rechte Kanal (Akustikgitarre) stärker mit Kompressor/Limiter behandelt wurde und so lauter gemacht wurde.

Im Wellenform-Diagramm für Locomotive Breath lässt sich der geringere Geräuschteppich der UHQR erkennen. Im Intro rauscht und rumpelt die 1971er deutlich lauter als die UHQR. Und das hat nur zum kleineren Teil mit dem stolzen Alter der 71er zu tun. Das leise gespielte Piano lässt sich so ungestört genießen. Im restlichen Stück offenbaren sich keine nennenswerten Unterschiede. Beide Versionen bleiben aber auch im Rockteil des Songs geradezu vorbildlich dynamisch.
Wie unterscheidet sich die Loudness der UK- und der UHQR-Pressung?


Für die Loudness-Messung mit dem Youlean Loudness Meter mussten wir die Seiten 1& 2 der UHQR hintereinander schneiden, um sie mit der Seite 12 der 1971er zu vergleichen. Im Ergebnis stellten wir für die Seite 1 der 1971er UK-Erstpressung einen Wert von -21,7 und für die Seiten 1&2 der UHQR –21,4 LUFS integrated fest. Beide Ergebnisse stehen bei Rockproduktionen für optimale Dynamik, obwohl die UHQR insgesamt um etwa 0,3 dB lauter ist.


Der Abstand bei der Loudness-Messung für die Seite 2 beziehungsweise der Seiten 3&4 der UHQR fiel mit 0,6 dB zwar doppelt so groß aus. Doch auch hier garantiert der Werte von -22,3 LUFS integrated in der Praxis genauso viel Dynamik wie die -21,7 LUFS integrated der UHQR. Bei Lautheits-Werten unter -20 LUFS besitzt Rockmusik auch für audiophile Ansprüche noch ausreichend Dynamik.
Wie unterscheiden sich die die Frequenzspektren der beiden Pressungen?

Das Spektrogramm für Aqualung bringt eine Überraschung: Die UHQR scheint oberhalb von etwa 16.000 Hertz kaum noch Signale wiederzugeben, während die 1971er noch munter vereinzelt bis über 20.000 Hertz spielt. Auch im Brillanzbereich zwischen 6.000 und 10.000 Hertz zeigt das Diagramm für die 1971er mehr Energie in Form von roten Flächen an.

Das Spektrogramm für Mother Goose zeigt für die UHQR dieselbe Grenze bei etwa 16.000 Hertz an. Doch die 1971er hat in diesem Stück unterhalb der 16.000 Hertz weniger zu bieten. Und auch die Ausschläge in den Air-Bereich werden weniger und weniger ausgeprägt.

Aus dem Spektrogramm für My God lässt sich die Filterung oberhalb 16.000 Hertz nicht mehr herauslesen. Insgesamt scheint die Frequenzverteilung bei beiden Pressungen ungefähr gleich zu sein. Ein Betonung des Frequenzbereichs rund um 10.000 Hertz fällt bei beiden Pressungen als „roter Streifen“ ins Auge. Abgesehen davon, erscheint das Spektrogramm für die 1971er wie eine verwaschene Ausgabe der UHQR. Das Klangbild der UHQR erwies sich auch im Hörtest detailreicher und präziser.

Das Spektrogramm für Locomotive Breath zeigt dagegen für die UHQR einen auffälligen „Streifen“ oberhalb von 12.000 Hertz, was in der Regel auf einen Eingriff per Equalizer hinweist. Im Mittenbereich scheint die UHQR darüber hinaus ebenfalls eine etwas stärkere Betonung zu haben.

Spektrogramme mit linearer Skala wie die vorigen, bringen die Unterschiede in den hohen Frequenzbereichen zum Vorschein. Um die Unterschiede im Frequenzkeller zu erkennen, braucht es eine logarithmische Skala. Und das logarithmisch skalierte Spektrogramm für Aqualung bringt einen klaren Vorteil für die UHQR im Bassbereich. Sichtbar wird dies an den größeren violetten, also besonders energiereichen, Flächen im unteren Bereich des Diagramms.
Wie gut klingt die UHQR-Pressung von Aqualung?
Höhen: Obwohl die Messung der Seiten 1 und 2 einen leichten Mangel an „Air“ nahelegen, fällt dies im Hörtest nicht weiter auf. Die Höhen bleiben luftig und lassen keine Wünsche offen.
Mitten: Gesang und Akustikgitarren klingen seidiger und runder als im Original. Ein paar hilfreiche Korrekturen per Equalizer wirken sich hier positiv aus.
Bässe: Anders als beispielsweise Transformer von Lou Reed ist Aqualung keine Rakete im Bass. Doch die UHQR bekam bei Remastering ein paar Muskeln mehr im Frequenzkeller mit. Dieses leichte Plus im Bass tut der UHQR wirklich gut.
Laufruhe: Das milchige Clarity-Vinyl ohne Farbzusätze überzeigt mit großer Laufruhe. Ohne störende Hintergrundgeräusche bleibt mehr Raum für die Wiedergabe von feinen Details in leisen Passagen.
Dynamik: Das Album bietet musikalisch jede Menge Dynamik und die UHQR gibt diese wunderbar lebendig wieder.
Details: Das Klangbild wirkt insgesamt etwas aufpoliert und so werden einige Details freigelegt, die beim verwaschenen Original verborgen bleiben. Insbesondere die Transienten, also die Anschläge von Schlagzeug und Gitarren, kommen knackiger und präziser aus den Boxen als je zuvor.
Wie gut klingt die 1971 UK-Erstpressung von Aqualung?
Höhen: An hohen Frequenzanteilen fehlt es der UK-Erstpressung wahrlich nicht. Das Klangbild ist insgesamt eher etwas dünn und höhenlastig.
Mitten: Im Verglich zur UHQR näselt Ian Andersons Stimme mehr, die Gitarren könnten einen Satz neuer Saiten vertragen.
Bässe: Im Bass wird es leider wirklich etwas dünn. Die Bassgitarre tönt nach Pappe, die Bassdrum muss gesucht werden.
Laufruhe: Mit 50 Jahren auf dem Buckel zeigen sich Spuren von Abnutzung und auch ein paar Schäden durch miese Behandlung. Je weiter der Tonarm Richtung Label kommt, desto stärker werden diese Schäden als Verzerrungen hörbar.
Dynamik: In Sachen Dynamik ist die UK-Erstpressung wie sie ein soll. Der ständige Wechsel von lauten und leisen Passagen macht den Reiz des Albums aus. Und selbst in den lauten Passagen „atmet“ der Mix noch.
Details: Im Vergleich zur UHQR schneidet die Erstpressung nicht gut ab. Wer es nicht gehört hat, weiß gar nicht, was er alles verpasst.
Titelliste
Side 1
- Aqualung
- Cross-Eyed Mary
- Cheap Day Return
- Mother Goose
- Wond’ring Aloud
- Up To Me
Side 2
- My God
- Hymn 43
- Slipstream
- Locomotive Breath
- Wind Up














Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020 Jethro Tull – Aqualung, UHQR Analogue Productions 2020
Interpret | Jethro Tull | |
Titel | Aqualung | |
Label | Chrysalis, Island Records | Analogue Productions |
Katalognummer | ILPS 9145 | UHQR 0003-45 |
Veröffentlicht | 1971 | 2020 |
Format | 12“ | 2×12“ |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 45 |
Cover | Gatefold | Boxset, Gatefold |
Beigaben | – | Boxset, Lyric-Sheet, Zertifikat, 2 Booklets |
Lackschnitt | k.A. | Chris Bellman |
Presswerk | The Grammophone Co. Ltd. | Quality Record Pressings |
Matrix-Runout | ILPS 9145 A-1U ILPS 9145 B-3U CC 2 | LPS-9145-A1-45 CB ILPS-9145-̶A̶2-45 CB UHQR-0003-45 B SB ILPS-9145-B1-45 CB ILPS-9145-B2-45 CB |
Auflage/Limitierung | – | 5000 |
Fortlaufende Nummer | – | 2842 |
Herstellungsland | UK | USA |
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