The Lamb Lies Down On Broadway von Genesis wurde 2008 in einer neu abgemischten Fassung wiederveröffentlicht. Ist der Remix womöglich besser als die deutsche Erstpressung von 1974?


Welche Versionen von The Lamb Lies Down On Broadway vergleichen wir?
Hier geht eine deutsche Erstpressung von 1974 an den Start. Das Doppelalbum hatte ursprünglich bedruckte Innenhüllen. Diese haben die Zeit leider nicht überdauert. Dafür liegt das vierseitige Insert gleich zweimal bei. Darin wird die Geschichte, die dem Album zugrunde liegt, in deutscher Übersetzung erzählt.
Unsere Vergleichspressung stammt aus der 2008 erschienenen LP-Box mit allen Studioalben der Gabriel-Ära von Trespass bis The Lamb Lies Down On Broadway (Ausnahme: From Genesis To Revelation, das auf einem anderen Label erschien). Hier finden wir die Remixes für die CD-Neuauflagen aus dem Jahr 2007 im Half-Speed-Mastering neu geschnitten und auf 200g-Vinyl gepresst. Die beiden bedruckten Innenhüllen mit den Songtexten sind natürlich mit dabei. Aber es fehlt das deutschsprachige Insert der Erstpressung. Die Story des Albums lässt sich auf englisch bei beiden Versionen innen im Gatefold nachlesen.
Ein paar Hintergründe zu The Lamb Lies Down On Broadway
The Lamb Lies Down On Broadway ist das sechste Studioalbum von Genesis und gleichzeitig das letzte Album, das in der Besetzung mit Peter Gabriel, Phil Collins, Mike Rutherford, Tony Banks und Steve Hackett entstand.
Das Album erzählt die Geschichte von Rael, einem puertoricanischen Jungen in New York City, der dort allerhand merkwürdige Abenteuer erlebt. Peter Gabriel schrieb alle Texte für das Album alleine, und schuf eine derart komplexe Story voller mystischer Bezüge, dass selbst seine Bandkollegen nicht immer wussten, worum es gerade ging.
Die Musik war wie immer eine Kollaboration aller Musiker, bei der viele unbenutzte Songfragmente aus den vergangenen fünf Jahren verwendet wurden. Genauso wie neue Kompositionen, die spezifisch fürs Album geschrieben waren.
Während der Aufnahmen wuchsen die Spannungen zwischen Gabriel und der Band. Es ging um mögliche Solo-Projekte des Sängers und eine parallel problematisch verlaufende Schwangerschaft seiner Frau Jill. Die Band fühlte sich vernachlässigt, Gabriel eingeengt und gedrängt. Als auch noch die anschließende Welttournee nur mäßig erfolgreich verlief, ließ sich die Kluft nicht mehr kitten. Peter Gabriel verkündete seinen Bandkollegen, dass er Genesis nach der Tournee verlassen würde.
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Das Album und vor allem die dazugehörige Liveshow, bei der einige abgefahrene Kostüme (Slippermen), eine ausgeklügelte Lightshow sowie mehr als 1500 Diaprojektionen zum Einsatz kamen, gilt bis heute unter Fans der frühen Genesis als Höhepunkt des englischen Progrock. Trotzdem wurde die Show nie professionell für die Nachwelt aufgezeichnet, unter anderem, weil die Musiker genervt waren, von den Tücken der Technik. In den Jahren 1974 und 1975 war die Synchronisation von drei Diaprojektoren noch eine echte Herausforderung, die häufig eher mittelgut funktionierte. Das hier eingefügte Youtube-Video wurde zusammengestückelt vielen Amateur-Film- und Fotoaufnahmen und ist trotzdem das Beste, was der Nachwelt erhalten blieb.
Wie gut klingen die 1974er- und die 2008er-Pressung von The Lamb?
Wie schon Foxtrot aus derselben LP-Box klingt die neue Fassung von 2008 auch hier erkennbar heller. Das RMI Piano im Intro von The Lamb Lies Down On Broadway besitzt mehr Anschlag, Peter Gabriels Gesang wirkt offener. Auf der 1974er-Pressung rückt dafür der verzerrte Bass weiter in den Vordergrund. Die meiste Energie findet sich hier im Grundtonbereich.
Mehr Anschlag lässt sich auch für die Instrumentalpassagen von Fly On a Windshield feststellen. So wird das akzentuierte Schlagzeugspiel von Phil Collins plastischer abgebildet.
Gleiches gilt für In The Cage. Orgel, Bass und Schlagzeug erzeugen durch unterschiedliche Betonungen und rhythmische Spannungen. Dank des frisch aufgeräumten Mixes der 2008er hören wir hier Details, die in der kompakteren Abmischung von 1974 untergingen.
Im Remix von 2008 erhielten alle Gesangsstimmen einen leichten Push in höheren Frequenzen. Das sorgt dafür, dass sich beispielsweise in Lilywhite Lilith die Leadstimme von Peter Gabriel und der Chor von Phil Collins deutlicher voneinander abheben. Oder in The Grand Parade Of Lifeless Packaging die Effekte auf den Leadvocals – seinerzeit eingefügt von Brian Eno – größere Wirkung erzielen.
The Lamia besitzt eine ungeheuer große dynamische Bandbreite. Die lauten Passagen werden unterstützt von einem Bass-Synth, der mit tiefem Grollen das Fundament einer Klangwand bildet. Der Bass ist in beiden Varianten etwa gleich gut zu hören. Da er in der 2008er Mischung mit mehr Details konkurriert, fällt er nicht ganz so stark auf.
Wie unterscheiden sich Pegel und Frequenzgang der 1974er und der 2008er-Pressung?

Im Wellenform-Diagramm für The Lamb Lies Down On Broadway lässt sich ablesen, dass die Neuauflage einen niedrigeren Durchschnittspegel besitzt. Da hier die CD-Remixe und Remasters aus dem Jahr 2007 zugrunde liegen, wurde offenbar Mehr Sicherheits-Headroom gelassen, um digitale Verzerrungen zu vermeiden. Im Unterschied dazu wurde das analoge Masterband der 1974-Mischung ein gutes Stück in die Bandsättigung gefahren. Wenn man nun beide Masterquellen unverändert für den Lackschnitt nimmt, kommt ungefähr so etwas heraus. Wie gesagt, eine Vermutung, doch immer häufiger kommen uns entsprechende CD-Masters unter. Wir werden die Sache weiter beobachten.

Dynamik ist nicht der Hauptunterschied zwischen den beiden Wellenform-Diagrammen für In The Cage. Vielmehr wurden Intro und Outro des Songs beim Remix einfach lauter ausgesteuert. In den lauten Passagen zeigen sich nur kleine Abweichungen zwischen beiden Versionen.

Ähnlich unterschiedliche Verläufe lassen sich auch im Wellenform-Diagramm für The Lamia erkennen. Die leiseren Passagen wurden auf der 2008er etwas lauter gepegelt, die lauten Passagen besitzen einen etwas niedrigeren Maximalpegel als die 1974er-Pressung.

Im Frequenz-Spektrogramm für The Lamb Lies Down On Broadway fällt auf Anhieb auf, dass die 1974er mehr Bass und Grundton aufweist. Ijhr erinnert euch: die Bassgitarre. Abzulesen ist dies an den violetten Flächen im unteren Frequenzbereich. Aber auch der höhere durchschnittliche Pegel der deutschen Erstpressung, trägt hier einen kleinen Teil dazu bei, dass hier die Bassfrequenzen lauter angezeigt werden.

Nicht ganz so stark treten die Unterschiede im Frequenz-Spektrogramm für In The Cage auf. Auch hier erscheinen die violetten Flächen für die tiefen Frequenzen bei der 1974er-Version größer. Allerdings scheint der Unterschied geringer als bei The Lamb … .

Sobald man die Skalierung des Diagramms für In The Cage auf linear umstellt, zeigen sich Differenzen im Hochtonbereich. So zeigt die deutsche Erstausgabe oberhalb der Linie bei etwa 14.000 Hertz nur noch vereinzelt Ausschläge, während die 2008er weitaus mehr Ausschläge zeigt und diese auch in noch höhere Frequenzbereiche ragen.

Der höhere Pegel in den leiseren Passagen erzeugt im Frequenz-Spektrogramm für The Lamia im Intro und dem Mittelteil einen lauteren Mittenbereich (weißer Pfeil) für die Wiederveröffentlichung. Im Bass scheint diese sogar etwas stärker zu sein, als die 1974er. Bei niedrigerem Gesamtpegel, wohlgemerkt. Diesen Unterschied hört man auch.

Der Wechsel von der logarithmischen zur linearen Skalierung fördert bei The Lamia sogar noch größere Unterschiede im Mitten- und Hochtonbereich zutage als für In The Cage. Unterhalb der Linie bei etwa 14.000 Hertz zeigt das Diagramm für die 2008er-Version wesentlich mehr rote (laute) Bereiche an. Oberhalb der Linie sind es erneut mehr und höhere Ausschläge, die einen wesentlich lauteren Hochton- und Brillanzbereich anzeigen.
Welche Pressung von Genesis – The Lamb Lies Down On Broadway ist besser?
Die deutsche Erstpressung aus dem Jahr 1974 wurde insgesamt etwas kompakter abgemischt als die 2008er Variante. Das heißt, es gibt weniger Details, eine etwas engere Stereobühne und ein engeres Frequenzspektrum.
Der 2008er Remix zeigt mehr Detailreichtum und ein breiteres Frequenzspektrum bei gleichzeitig breiterer Stereobühne. Trotzdem kann der Remix nicht restlos überzeugen. Das CD-Mastering begrenzt die dynamische Bandbreite und klingt gelegentlich etwas leblos, durch die vielen Höhen manchmal auch etwas kühl.
Wir wünschen uns ein Vinyl-Remaster vom originalen analogen Masterband. Denn die Erstpressung ist keineswegs perfekt, aber im Moment die von uns präferierte Fassung.
Titelliste
Side 1
- The Lamb Lies Down On Broadway
- Fly On A Windshield
- Broadway Melody of 1974
- Cuckoo Cocoon
- In The Cage
- The Grand Parade Of Lifeless Packaging
Side 2
- Back In NYC
- Hairless Heart
- Counting Out Time
- Carpet Crawlers
- The Chamber Of 32 Doors
Side 3
- Lillywhite Lilith
- The Waiting Room
- Anyway
- Here Comes The Supernatural Anaesthetist
- The Lamia
- Silent Sorrows In Empty Boats
Side 4
- The Colony Of Slippermen
- Ravine
- The Light Dies Down On Broadway
- Riding The Scree
- In The Rapids
- It
























Interpret | Genesis | |
Titel | The Lamb Lies Down On Broadway | |
Label | Charisma | Virgin |
Katalognummer | 6641 226 | LPBOX 14 |
Veröffentlicht | 1974 | 2008 |
Format | 2 x 12” | 2 x 12” |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 33 1/3 |
Cover | Gatefold | Gatefold |
Beigaben | Vierseitiges Insert | Zwei bedrucke Innenhüllen |
Lackschnitt | Phonodisc | Miles Showell |
Presswerk | Phonodisc | k.A. |
Matrix-Runout | 10 AA9299257 1Y 320 10 AA9299257 2Y 320 10 AA9299258 1Y 320 10 AA9299258 2Y 320 | LPBOX 14 I-2 Miles The Paradigm ½ Speed Process LPBOX 14 J-2 Miles The Paradigm ½ Speed Process LPBOX 14 K-2 Miles The Paradigm ½ Speed Process LPBOX 14 L-2 Miles The Paradigm ½ Speed Process |
Auflage/Limitierung | – | – |
Fortlaufende Nummer | – | – |
Herstellungsland | Deutschland | EU |
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