Graceland von Paul Simon klingt super auf Vinyl. Allerdings nur in einer der beiden Pressungen, wie unserer Analyse zeigt. Die Überraschung kommt zum Schluss.
Wie entstand Graceland von Paul Simon?
Graceland wurde 1985 mit einer Reihe schwarzer Musiker aus Südafrika und Lesotho aufgenommen. Simon reiste für Aufnahmesessions nach Johannesburg, für andere Sessions holte er afrikanische Musiker nach New York oder London, um dort aufzunehmen. Doch auch US-Rockmusiker wie Los Lobos, Linda Ronstadt oder die Everly Brothers nahmen an den Aufnahmen teil. Was heute wie ein unverfängliches Multikulti-Projekt klingt, brachte Paul Simon Mitte der 80er Jahre viel Kritik ein. Denn kulturelle Kontakte mit Südafrika waren verpönt, um das ungerechte Apartheits-System nicht weiter zu legitimieren.
Künstlerisch hat sich die Sache definitiv gelohnt. Graceland – der Titelsong und das Album – erhielten jeweils Grammies. Und Paul Simons Solokarriere bekam neuen Schwung. Auch einige der Gäste wie Ladysmith Black Mambazo, Stimela oder Ray Phiri profitierten von der Zusammenarbeit, da sie so bei einem breiten Publikum in Europa und den USA bekannt wurden. Bis heute ist Graceland das erfolgreichste Album von Paul Simon.


Welche Versionen von Graceland vergleichen wir?
Die deutsche Pressung von Graceland stammt aus dem Erscheinungsjahr 1986. Sie steckt in einem Single-Sleeve, das in aufwendigem Prägedruck hergestellt wurde. In der bedruckten Innenhülle findet sich die auf 132g Vinyl gepresste LP. Laut Deadwax wurde sie im Direct Metal Mastering (DMM)-Verfahren hergestellt
Den Prägedruck fürs Cover hat man sich bei der Wiederveröffentlichung gespart. Dafür wurde alles andere etwas dicker: Das Cover ist aus dickerem Karton, die Innenhülle aus dickerem Papier und die LP aus dickerem Vinyl, das stolze 200g auf die Waage bringt. Ein Download-Code ergänzt die Veröffentlichung aus der Sony Legacy-Serie, die keinen besonders audiophilen Anspruch erhebt. Deshalb gibt es auch keinerlei Hinweise auf das Quellmaterial oder ein etwaiges Remastering.
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Wie unterscheiden sich Pegel und Dynamik der 1986er- und der 2017er-Pressung?


Die Analyse der Wellenform-Diagramme geht in diesem Fall leicht von der Hand. Sowohl die Wellen für The Boy In The Bubble und Graceland (beide oben) als auch die für You Can Call Me Al und Under African Skies (beide unten) zeigen eigentlich dasselbe an. Sowohl die Deutsche Pressung von 1986 als auch die Wiederveröffentlichung von 2017 verwendeten entweder dasselbe Master oder eine sehr gute Sicherungskopie desselben Masters ohne weitere Nachbearbeitung. Die deutsche Erstpressung wurde minimal lauter geschnitten. Das war‘s aber auch schon. Beide Wellen verlaufen so synchron, dass sich eine separate Analyse nicht lohnt.


Wie unterscheiden sich die die Frequenzspektren der beiden Pressungen?


Die Frequenz-Spektrogramme stärken unsere Hypothese, dass es sich schlicht um dasselbe Ausgangsmaterial handelt. Sowohl die Spektrogramme für The Boy In The Bubble und
Graceland (beide oben) als auch jene für You Can Call Me Al und Under African Skies (beide unten) unterscheiden sich nur minimal. Alle charakteristischen Streifen und Muster, die per Equalizer auf dem Masterband verewigt wurden, finden sich jeweils in beiden Spektrogrammen eines Songs wieder. Die geringfügig geringeren Ausschläge der 2017er lassen sich mit dem geringfügig kleineren Pegel erklären.


Wie unterscheidet sich Loudness der beiden Pressungen von Graceland?


Das Youlean Loudness Meter dient Toningenieuren zur Ermittlung der Lautheit ihrer Mixe. Eigentlich müssten dann doch hier ebenfalls dieselben Werte für beide Pressungen erscheinen. Sie unterscheiden sich aber. Für die Seite 1 der 1986er haben wir -19,2 LUFS integrated (Loudness Units relative to Full Scale) gemessen, für die 2017er waren es -21,0 LUFS integrated. Der Abstand beträgt also stolze 1,8 dB.


Für die Seite 2 ergab die Messung -20,7 LUFS (1986) und -21,6 LUFS (2017), also ein Delta von 0,9 dB (beide Diagramme unten).
Das sich die Unterscheide aber gleichmäßig jeweils über die gesamte Laufzeit der LP-Seite verteilen, stehen diese Ergebnisse nicht im Widerspruch zur These, dass es sich um dasselbe Master handelt. Der Lackschnitt von 1986 ist einfach etwas lauter.
Wie gut klingt die deutsche Pressung aus dem Jahr 1986 von Paul Simons Graceland?
Auf den Hörtest hätten wir beinahe verzichtet. Schließlich zeigten die Diagramme an, dass keine großen Unterschiede zu erwarten wären. So kann man sich täuschen! Der Mensch hört logarithmisch, deshalb wirkt sich die unterschiedliche Lautheit durchaus auf die Klangcharakteristik aus. Und zwar in einem Ausmaß, das wir nicht erwartet hätten. An der Gesangsstimme von Paul Simon ließen sich die beiden Pressungen blind auseinanderhalten. Die 1986er wirkt runder und fetter. Der Eindruck zieht sich durch alle Stücke und über beide Plattenseiten.
Wie gut klingt die Pressung aus dem Jahr 1986 von Paul Simons Graceland?
Im Prinzip wurde dasselbe Master verwendet und bei beiden Pressungen auch keine offensichtliche Nachbearbeitung der Dynamik oder der Frequenzspektren vorgenommen. Und doch klingt die 2017er-Version dünner. Der Unterschied liegt irgendwo in den mittleren Frequenzbereichen, wo die Stimme dominiert. Wir haben keine Ahnung, ob für die 2017er wirklich ein digitales Master im Einsatz war. Und obwohl wir keineswegs der Ansicht sind, dass digital immer schlecht klingt, fällt uns keine bessere Erklärung ein. Der Klangunterschied fällt genau so aus, wie der Unterschied zwischen digitalen und analogen Aufnahmen allenthalben beschrieben wird: Die 1986er klingt rund und warm, die 2017er irgendwie hart, dünner und im direkten Vergleich ein klein wenig unangenehm.
Titelliste
Side 1
- The Boy In The Bubble
- Graceland
- I know What I Know
- Gumboots
- Diamonds On The Soles of Her Shoes
Side 2
- You Can Call Me Al
- Under African Skies
- Homeless
- Crazy Love, Vol.II
- That Was Your Mother
- All Around The World Or The Myth Of Fingerprints












Interpret | Paul Simon | |
Titel | Graceland | |
Label | Warner Brothers | Sony Music, Legacy |
Katalognummer | 925 447-1, WX 52 | 88985422401 |
Veröffentlicht | 1986 | 2017 |
Format | 12” | 12” |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 33 1/3 |
Cover | Single Sleeve | Single Sleeve |
Beigaben | Bedruckte Innenhülle | Bedruckte Innenhülle, Download Code |
Lackschnitt | k.A. | k.A. |
Presswerk | Record Service Alsdorf | k.A. |
Matrix-Runout | R/S Alsdorf 925447-1-A2 GB* △ 12646 2-3 125-147-A-RE2-SH1 <T> B-23620 R2-SHI STERLING-DMM R/S Alsdorf 925447-1-B2 <T> STERLING DMM △ 12646 2-2 125147-B-RE.1 DMM BH4 B-23621-R1-SH4 GB* | 12769 2A MOVLP 1445 12769 3B MOVLP 1445 |
Auflage/Limitierung | – | – |
Fortlaufende Nummer | – | – |
Herstellungsland | Deutschland | EU |
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