John Lennon / Plastic Ono Band wurde im Auftrag von Yoko Ono neu abgemischt. Leider ging das voll in die Hose, wie ein Vergleich mit deiner originalen Pressung zeigt.
Wie entstand John Lennon / Plastic Ono Band?
John Lennon / Plastic Ono Band ist das fünfte Soloalbum von John Lennon und das erste Studioalbum nach seiner Trennung von den Beatles. Die vorausgegangenen Alben Unfinished Music Vol. 1 und Vol.2 sowie das Wedding Album besitzen zwar hohen Sammlerwert, musikalisch geht dagegen selbst die Soundcollage Revolution No. 9 vom Weißen Album als eingängiger Stoff durch. Auch das Livealbum Some Time in New York City fand bis heute wenig Gegenliebe unter Fans. Lennons Solo-Karriere war bis dato also nicht gerade der Brüller. Als dieses Album Ende 1970 in die Läden kam, waren deshalb die Erwartungen eher mittelprächtig.
John Lennon selbst hielt das Album zurecht „für das Beste, was ich bislang gemacht habe“. Lennon spielte Klavier oder Gitarre, Klaus Voormann steuerte den Bass bei und am Schlagzeug saß Ringo. Mit ganz wenigen Ausnahmen war’s das. Billy Prestons Orgel ist auf God zu hören, Produzent Phil Spector bei Love am Piano. Aber gerade die minimalistischen Arrangements zu schonungslos ehrlichen Texten erzeugen einige der intimsten Momente im Werk des Ex-Beatles.


Welche Versionen von John Lennon / Plastic Ono Band vergleichen wir?
Das Album erschien im Dezember 1970. Unser Exemplar lässt sich leider nicht genau datieren, die Pressmatritze A2/B2 deutet aber auf eine einigermaßen frühe deutsche Pressung aus den Jahren etwa 1971/72 hin. Das Album steckt in einem Single Sleeve mit Standardhülle. Gepresst wurde auf 130g Vinyl. In der Erstausgabe war ein Poster mit dem Slogan „War Is Over“ enthalten. Wenn dieses Poster oder eine bedruckte Innenhülle jemals unserem Second-Hand-Exemplar beigelegen haben soll, dann blieb davon keine Spur.
Für die Neuauflage aus dem Jahr 2021 wurden die originalen Mehrspuraufnahmen neu abgemischt. Paul Hicks übernahm diese Aufgabe in den Abbey Road Studios und den Hix Factory Studios. Diesen Ultimate Mix gibt es in mehreren Album-Versionen. Wir haben es hier mit dem Doppelalbum zu tun. Die Seiten 1 und 2 beinhalten das Album in der neuen Abmischung. Die Seite 3 und 4 bringen Outtakes und alternative Versionen, die uns für diesen Vergleich aber nicht interessieren. Das Album bekam ein Fold Out Cover und zwei bedruckte aber nicht gefütterte Innenhüllen für die beiden Platten in 190g schwerem Vinyl. Zusätzlich ist das angesprochene „War Is Over“-Poster sowie ein Booklet enthalten.
Weitere Alben aus den Jahren 1970/71 auf Uebervinyl.de
Wie unterscheiden sich Pegel und Dynamik des Ultimate Mix und der 1970er-Pressung?

Das Wellenform-Diagramm für Mother zeigt einen ähnlichen Verlauf für beide Pressungen an. Allerdings fällt der Pegel des Ultimate Mix etwas niedriger aus. Auf der Originalfassung stehen die Pegelspitzen auch näher beieinander, es gibt weniger Lücken zwischen den einzelnen Transienten. In Sachen Feindynamik hat die 2021er in der Theorie also geringe Vorteile. In der Praxis sind diese jedoch zu gering, um sie wirklich zu hören.

Noch geringer fallen die Unterschiede im Diagramm für Working Class Hero aus. Im Schlussrefrain gibt es hier zwar im Original ein paar höhere Ausschläge, die durch stärkeren Einsatz von Kompressor/Limiter erzeugt wurden (Pfeile). Doch das war‘s auch schon. Wir behaupten erneut: Das hört niemand.

Die Unterschiede in Isolation sind gerade so deutlich, dass man wirklich sicher sein kann, dass es sich um zwei unterschiedliche Masters handelt. Erneut gibt es ein paar höhere Ausschläge beim Original, die beim Ultimate Mix kürzer ausfallen. Das dynamische Geschehen wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.

Das Diagramm für Well Well Well zeigt den Unterschied in der Arbeitsweise von modernen und historischen Limitern auf. Analoge Limiter aus den 70er Jahren reagierten auf das aktuelle Signal. Je nachdem, wie laut die vorigen Signale ausfielen, kappt der Limiter die Signale an minimal verschiedenen Pegeln. So entsteht eine leicht unregelmäßige gedachte Linie über die Pegelspitzen (obere Welle). Moderne Brickwall-Limiter können das Signal voraushören und schneiden deshalb immer beim exakt gleichen Pegel ab. So entsteht eine messerscharf gerade Linie über den Spitzen (untere Welle). Hören können diese Unterschiede wohl nur Fledermäuse und vielleicht noch Hunde. Wir hörten auch hier vor allem, dass die Plastic Ono Band-Pressung aus den 70er Jahren deutlich lauter ist.
Wie unterscheiden sich die Frequenzspektren der 2021er und der 1970er Pressung?

So sieht sparsame Instrumentierung im Frequenz-Spektrogramm aus. Es ist kaum etwas los. Im Spektrogramm für Mother überrascht der Remix mit geringen Ausschlägen in den höchsten Frequenzbereichen. Viele Remixe wie etwa vom Album Genesis – Foxtrot setzen bei der Neuabmischung die höchsten Frequenzbereiche frei, die das Original unterschlagen hatte. Die 1970er verfügt auch über einen höheren Gesamtpegel, was für größere und lautere Ausschläge sorgt. Doch sooo groß war der Pegelunterschied eigentlich gar nicht..

Auch in Working Class Hero zeigt die 1970er Mischung viel größere Ausschläge nach ganz oben, also mehr und lautere Höhen an.

Überraschung im Spektrogramm für Isolation: Hier fallen die Unterschiede viel kleiner aus. Beide Pressungen zeigen kräftige Ausschläge bis an den Rand des Diagramms an – also bis weit außerhalb des hörbaren Bereichs.

Well Well Well ist der mit Abstand lauteste und am dichtesten arrangierte Song unseres Vergleichs. Hier gibt es eine verzerrte Gitarre, viel Schlagzeug mit krachigen Becken und einen sehr aktiven Bass. Dementsprechend voller zeigt sich das Spektrogramm. Die Unterschiede zwischen den Versionen lassen sich jedoch vor allem auf den höheren Pegel der 1970er zurückführen. Die ältere Pressung ist fast schon in allen Frequenzbereichen gleich laut.

Spektrogramme mit linearer Skalierung verdeutlichen die Unterschiede in den oberen Frequenzbereichen. Unterschiede im Bass und Grundton sehen wir in Spektrogrammen mit logarithmischer Skala. In der Regel hat hier die Version mit dem höheren Gesamtpegel die Nase vorn. In diesem Fall ist dies anders. Der Remix aus dem Jahr 2021scheint mindestens gleich stark im Bass und Grundton zu sein. Relativ zum Pegel bedeutet dies, dass der Bass in im Ultimate Mix lauter ist als im Original.
Wie unterscheidet sich die Loudness der 2021er und der 1970er-Pressung?


Die Lautheit messen wir mit dem Youlean Loudness Meter, den auch Toningenieure beim Mastern verwenden. Für die Seite 1 der 1970er ergab die Loudness-Messung -19,0 LUFS integrated (Loudness Units relative to Full Scale), die Lautheit der ersten Seite des Ultimate Mix liegt bei -20,5 LUFS integrated. Demnach ist das Original um 1,5 dB lauter als der Ultimate Mix. Beim Vergleich der beiden Diagramme fällt auf, dass dies nicht auf alle Titel in gleichem Ausmaß zutrifft. Um die Unterschiede zu verdeutlichen, haben wie die einzelnen Songs der Seite 1 im Diagramm grob markiert.
Zunächst: Der Ultimate Mix (unteres Diagramm) besitzt über alle Titel eine gleichmäßigere Lautheit. Auf der 1970er (oberes Diagramm) werden dagegen musikalisch laute Titel wie I Found Out noch etwas lauter, was sich an dem engen dunklen Schlauch im unteren Teil des Diagramms zeigt. Leise Passagen, wie der Beginn von Isolation, werden auf der 1970er jedoch leiser. Zu erkennen ist dies an der grünen Färbung im ersten Teil von Isolation. Der Ultimate Mix nivelliert diese Unterschiede und gleicht die Lautstärke aller Stücke an.


Seite 2 der 1970er ist erneut etwas (0,6 dB) lauter: Wir haben -19,3 LUFS gemessen, für den Ultimate Mix waren es -19,9 LUFS. Die Unterschiede treten hier in Well Well Well und God am deutlichsten zu Tage. Erneut bildet die 1970er mehr Differenzen in der Lautheit ab, während der Ultimate Mix diese Unterschiede einebnet.
Wie gut klingt der Ultimate Mix von John Lennon / Plastic Ono Band?
Während viele Traditionalisten Neuabmischungen generell ablehnen, sind wir Remixen gegenüber im Prinzip offen. Vor allem, wenn sie ein echtes Klangproblem lösen. Im Fall des Beatles-Albums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band beispielsweise, wurde per Remix das unsägliche Beatles-Stereo in ein korrektes Stereo überführt, was nach unserer Ansicht besser klingt als alle Stereo-Versionen davor. Für die Neuabmischung von John Lennon / Plastic Ono Band gab John Lennons Witwe Yoko Ono offenbar die Anweisung, dass der Gesang von John Lennon klarer hörbar werden sollte. Nun ja, im Original erschien er uns nie zu leise. Im Remix klingt Mother jetzt eher etwas zu dumpf, die Hihat von Ringos Schlagzeug verschwindet fast vollständig, nur der Gesang ist marginal lauter als zuvor.
Working Class Hero unterscheidet sich vor allem im Timbre von John Lennons Stimme. Hier wurde per Equalizer ein leichtes Kratzen entfernt, um die Stimme etwas gefälliger klingen zu lassen. Ganz ähnlich wie dies MoFi mit der Stimme von Bob Dylan etwa auf Bringing It All Back Home gemacht hat. Geschmackssache.
In Isolation wurde die Stimme erneut etwas geglättet und sie näselt jetzt weniger als im Original. Zudem wurde der Bass erkennbar gestrafft und verstärkt.
Schönheitskorrekturen gab es auch an Well Well Well. Im Original sägt die verzerrte Gitarre direkt an den Nerven des Zuhörers, im Remix wurde sie leiser geregelt und viele harsch und aggressiv wirkende Frequenzen abgedreht. Gefälliger mag das schon sein. Doch intensiver bleibt das Original.
Wie gut klingt die deutsche Pressung von 1970 von John Lennon / Plastic Ono Band?
Nicht alle Solo-Platten von John Lennon klingen gut. Mind Games beispielsweise ist ein Musterbeispiel für verwaschenen und muffigen Klang, das von einer Überarbeitung nur profitieren könnte. Mit dem vorliegenden Album hatten wir indes klanglich nie ein Problem. Im Gegenteil. John Lennon wollte ein brutal ehrliches und direktes Album ohne viel Schnickschnack. Und das ist ihm herausragend gelungen. Wenn High Fidelity „hohe Wiedergabetreue“ heißt, dann ist Plastic Ono Band HiFi im allerbesten Sinne. Der originale Mix gibt Lennon und seine kleine Band wieder wie sie im Studio klang. Warts and all, sagt der Engländer, wenn man im Foto die Schönheitsfehler nicht retuschiert. Klingt das immer schön? Keineswegs. Aber intensiv, intim und ehrlich. Yoko löste hier leider ein Problem, das eigentlich keiner hat. Wir bevorzugen hier ganz klar das Original. Diesen Remix hätte niemand gebraucht.
Titelliste
Side 1
- Mother
- Hold On
- I Found Out
- Working Class Hero
- Isolation
Side 2
- Remember
- Love
- Well Well Well
- Look At Me
- God
- My Mummy’s Dead
























Interpret | John Lennon / Plastic Ono Band | |
Titel | John Lennon / Plastic Ono Band | |
Label | Apple/EMI | Apple/Universal Music |
Katalognummer | 1 C062-0470 | 0602507354541 |
Veröffentlicht | 1970 | 2021 |
Format | 12” | 2 x 12” |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 33 1/3 |
Cover | Single Sleeve | Gatefold |
Beigaben | keine | Bedruckte Innenhüllen, Insert, Poster |
Lackschnitt | K.A. | Alex Wharton |
Presswerk | k.A. | All Media |
Matrix-Runout | 04703-A2 04703-B2 | 211162E2/A1 211162E1/B1 |
Auflage/Limitierung | – | – |
Fortlaufende Nummer | – | – |
Herstellungsland | Made in EEC | EU |
4 Kommentare
Kommentare sind geschlossen.