Die Erstpressung von Rubber Soul brachte es als „Loud Cut“ zu einiger Berühmtheit unter Sammlern. Wir haben diese Pressung mit der Version aus der Mono Box verglichen und erstaunliche Unterschiede gefunden.
Wie entstand Rubber Soul von den Beatles?
Rubber Soul ist das sechste Album der Beatles. Es wurde am 3. Dezember 1965 in Großbritannien veröffentlicht. In Deutschland erschien das Album vier Tage später am 7.12.1965. Für den amerikanischen Markt produzierte Capitol eine stark abweichende Version. Es beinhaltet statt der 14 Titel auf dem UK-Album nur 12 Songs, die zudem in einer anderen Reihenfolge auf den Plattenseiten verteilt wurden. Aber auch von der UK-Fassung gibt es mehrere Varianten, die sich vor allem klanglich unterscheiden. Zwei der wichtigsten haben wir uns hier genauer angeschaut.


Welche Versionen von Rubber Soul vergleichen wir?
Pressung 1: Hier haben wir es mit der holländischen Mono-Erstpressung aus dem Jahr 1965 zu tun. Diese Version besitzt nicht nur dasselbe bei Garrod & Lofthouse gedruckte Flipback-Cover wie die UK-Fassung, sondern wurde auch mit denselben Matritzen gepresst wie die UK-Erstpressung. Erkennbar ist dies an den Matrix-Nummern XEX 579-1 (Seite 1) und XEX 580-1 (Seite 2) im Deadwax. Die vorliegende Version unterscheidet sich deshalb nur durch die Label-Texte in holländischer Sprache vom UK-Original.
Die UK-Erstpressung wurde vom legendären Parlophone-Schneidemeister Harry Moss gemastert und hat als sogenannter „Loud Cut“ Berühmtheit erlangt. Denn kurz nach Produktionsbeginn entschied Parlophone, dass Moss es mit der Lautheit etwas übertrieben habe und ließ ihn einen zweiten Schnitt herstellen, der dann für weitere Pressungen eingesetzt wurde.
Pressung 2: Diese Ausgabe von Rubber Soul stammt aus dem genauso legendären (und inzwischen unfassbar teuren) Mono-Boxset The Beatles in Mono aus dem Jahr 2014. Hier wurde von den originalen Mono-Masterbänder neue Matritzen für Vinyl geschnitten. Sean Magee erledigte diese Aufgabe in den Abbey Road Studios. Auch die Covers wurden detailgetreu den UK-Originalen nachempfunden. Mit Flipback-Cover und allem Pipapo.
Wie unterscheiden sich die Pegel und Dynamik der Pressungen?




In den Wellenform-Diagrammen wird der Harry Moss-Loud Cut seinem Ruf gerecht: Die Pegel schlagen in allen Songs weit aus und lassen relativ wenige dynamische Ausreißer zu. Dis wird vor allem im direkten Vergleich mit der Version aus der Mono-Box deutlich. Hier weisen die einzelnen Songs unterschiedlich hohe Pegel auf. Besonders auffällig auf Seite 1 in den Songs 2 (Norwegian Wood) und 3 (You Won’t See Me). In der Pressung von 1965 wurden beide etwa gleich laut geschnitten. Das Diagramm für die Mono-Box-Variante zeigt viel mehr dynamische Ausschläge bei Norwegian Wood und einen insgesamt zum Ende hin ansteigenden Pegel. Während You Won’t See Me auf der 2014er-Pressung überraschenderweise sogar leiser geschnitten erscheint als die übrigen Songs der Seite 1.
Auf Seite 2 verschwinden die Unterschiede zwischen den Songs. Doch das Gesamtbild bleibt gleich: Die 1965er agiert stets nahe am Limit und beweist.
Wie unterscheidet sich die Loudness der beiden Pressungen?




Die Messwerte in LUFS integrated (Loudness Units relative to Full Scale) im Einzelnen:
NL 1965 | Boxset 2014 | |
Seite 1 | -19,2 | -19,3 |
Seite 2 | -19,2 | -20,6 |
Überraschenderweise bestätigen die Loudness-Messungen mit dem Youlean Loudness Meter keineswegs den Eindruck der Wellenformen. Für die Seite 1 maßen wir für die 1965er sogar einen beinahe identischen Wert von -19,2 LUFS integrated (Loudness Units relative to Full Scale) gegenüber -19,3 LUFS integrated für die 2014er.
Die Messung für Seite 2 brachte dagegen ein griffigeres Ergebnis. Die 1965er schlug erneut mit -19,2 LUFS integrated zu Buche während die 2014er -20,6 LUFS integrated auf die Waage brachte. Dementsprechend ist die 1965er auf Seite 2 durchschnittlich etwa 1,3 dB lauter (1 dB entspricht ungefähr einem LUFS) als die Neuauflage aus der Mono-Box.
Wie unterscheiden sich die die Frequenzspektren der verschiedenen Pressungen?


Auch in den Frequenz-Spektrogrammen hielt vor allem der Loudcut aus dem Jahr 1965 Überraschungen für uns bereit. Denn in der Regel spielt sich bei Mono-LPs aus den 1960er Jahren oberhalb von 15.000 Hertz nicht mehr viel ab. Die damals üblichen rund geschliffenen Abtastnadeln konnten derart hohe Frequenzen meist gar nicht wiedergeben. Doch hat unserer 1965er Pressung offenbar niemand gesagt. Sie spielt in fast allen Songs munter bis hinauf zu 17.000 Hertz und darüber. Ausnahme auf Seite 1: Track 7 Michelle. Hier ist schon bei etwa 12.000 Hertz Schluss.
Die 2014er aus der Mono Box entspricht schon eher dem Klischee. Hier ist nördlich von 15.000 Hertz in den meisten Songs nicht mehr viel geboten. Ausnahmen auf Seite 1 sind die Tracks 5 und 6 Think For Yourself und The Word, wo Ausschläge bis in höchste Höhen zu verzeichnen sind.


Auf der Seite 2 fängt die 1965er im ersten Song What Goes On erneut mit einem moderaten Höhenanteil an. Doch ab den zweiten Track gibt es kein Halten mehr. In allen Songs finden wir heftige Ausschläge bis etwa 18.000 Hertz und teilweise darüber hinaus.
Die Rubber Soul aus der Mono Box erweist sich erneut etwas weniger höhenlastig. In den ersten sechs Songs der Seite 2 zeigt sich eine klare Grenze bei etwa 15.000 Hertz, die entweder kaum (Songs 1,2,4) oder nur in bestimmten Abschnitten der Lieder (Songs 3,5,6) nennenswert überschritten wird. Bei Run For Your Life, dem letzten Song der Seite 2, legen jedoch beide Pressungen los, wie die Feuerwehr und reizen das Frequenzspektrum bis weit über die hörbaren Bereiche hinaus aus.
Welche Pressung von Rubber Soul in Mono klingt besser?
In den Wellenform-Diagramen und der Loudness-Messung fielen die Unterschiede geringer aus als erwartet. Dafür zeigten sich die krasse Differenzen in den Frequenz-Spektrogrammen. Und die hört auch der Laie sofort. Die Höhenbetonung der 1965er schlägt sich zudem in den Mitten nieder, auch wenn dies in den Diagrammen nicht ganz so deutlich zum Vorschein kommt. Wo die 2014er rund und harmonisch klingt, wird die 1965er harsch und kantig. Das betrifft in erster Linie die Stimmen, die nasaler und angestrengter aus den Boxen tönen. Aber auch die Sitar in Norwegian Wood wirkt aufdringlich wie eine (leise) Kreissäge.
Der legendäre Loud Cut von Harry Moss aus dem Jahr 1965 beweist, dass der Loudness War keine Erfindung der 1990er Jahre war. Mit analogen Kompressoren und Limitern ließ sich vor rund 60 Jahren zwar noch keine echte „Brickwall“ oder „Soundwurst“ erzeugen, wie dies bei den berüchtigten Produktionen der 90er- und 00er-Jahre der Fall war. Doch das Ergebnis bleibt irgendwie dasselbe. Es fehlt die Finesse, der Klang wird zu hart und uninteressant. Die 2014er aus der Mono Box klingt genau so, wie man sich das Audiophile wünschen: Analog, unverfälscht und rundum angenehm.
Titelliste
Side 1
- Drive My Car
- Norwegian Wood
- You Won’t See Me
- Nowhere Man
- Think For Yourself
- The Word
- Michelle
Side 2
- What Goes On
- Girl
- I’m Looking Through You
- In My Life
- Wait
- If I Needed Someone
- Run For Your Life








Interpret | The Beatles | |
Titel | Rubber Soul | |
Label | Parlophone | Apple/Parlophone |
Katalognummer | PMC 1267 | 5099963379716 (Boxset) |
Veröffentlicht | 1965 | 2014 |
Format | 1×12“ | 1×12“ |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 33 1/3 |
Cover | Single Sleeve | Single Sleeve |
Beigaben | – | Zertifikat |
Lackschnitt | Harry Moss | Sean Magee |
Presswerk | k.A. | Optimal Media |
Matrix-Runout | XEX 579-1 XEX 580-1 | 6338031 BD14114-01 A1 N N.S. 6338031 BD14114-01 B1 K i…i |
Auflage/Limitierung | – | – |
Fortlaufende Nummer | – | – |
Herstellungsland | UK | Deutschland |