Welche Funktion hat ein Kompressor/Limiter bei Schallplattenaufnahmen?

Tonstudios setzen Kompressoren und Limiter ein, um den Dynamikumfang eines Signals zu begrenzen und Übersteuerungen zu verhindern. Der Dynamikverlauf wird also komprimiert, der Lautstärkeunterschied zwischen den leisen und lauten Passagen wird verringert. Kompressoren sind bei Musikaufnahmen im Tonstudio seit Jahrzehnten absoluter Standard.

Aus audiophiler Sicht lebt Musik von einer Abfolge von laut und leise. Alle Nuancen der künstlerischen Leistung sollen hörbar sein. Im Idealfall mit denselben Lautstärkeunterschieden wie im Konzert.

Aber um dynamische Musik jenseits von Konzertlautstärken genießen zu können, ist Kompression ein völlig legitimes Mittel der Tontechnik. Unkomprimierte, leise Passagen würden sonst beispielsweise im Autoradio gegenüber den Fahrgeräuschen untergehen. Selbst bei Zimmerlautstärke kann es hilfreich sein, wenn Musik, die im Hintergrund läuft, komprimiert wurde. Kompression ist also nicht generell etwas Schlechtes. Wohldosiert eingesetzt, kann sie den Genuß beim Musikhören durchaus steigern. Moderne Mehrkanalproduktionen sind ohne Kompressoren überhaupt nicht mehr denkbar.

Wofür werden Kompressoren bei Plattenaufnahmen eingesetzt?

Bei vielen Klangquellen wie Stimmen, Instrumenten oder Geräuschen, treten sehr große Lautstärkeunterschiede auf. Deshalb setzen Tontechniker im Studio bei der Aufnahme von solchen sehr dynamischen Klangquellen sogenannte Kompressoren ein, die den Unterschied im Pegel zwischen den lautesten und den leisesten Signalen verringern. Eine Aufnahmespur mit derart geglättetem Dynamikverlauf macht leise Passagen verständlicher (lauter), ohne dass laute Passagen übersteuern oder unangenehm laut wirken.

In Pop-Produktionen helfen Kompressoren dabei, etwa den Gesang gegenüber den übrigen Spuren in einem komplexen Mix mit vielen Spuren in den Vordergrund treten zu lassen. Auch bei anderen Instrumenten wie Schlagzeug oder Bass, sind moderne Aufnahmen ganz ohne den Einsatz von Kompression nicht mehr denkbar und auch nicht sinnvoll.

Kompressoren helfen also dabei, Pegelschwankungen auszugleichen und so einen stetig hohen Durchschnittspegel zu erzielen. Komprimierte Signale sind zunächst leiser, lassen sich aber lauter aussteuern, da weniger Headroom für kurzfristige Pegelspitzen gelassen werden muss und wirken deshalb präsenter.

My Aim Is True von Elvis Costello in zwei Versionen: Leicht komprimiertes Master mit hohem Pegel (oben) und ohne Kompression (unten).
Wellenform-Diagramm für My Aim Is True von Elvis Costello in zwei Versionen: Leicht komprimiertes Master mit hohem Pegel (oben) und starkem Limiting und mit sehr wenig Kompression (unten) ohne erkennbaren Limitereinsatz.

Wie wird ein Limiter beim Mastern von Platten eingesetzt?

Beim Abmischen der Mehrspurbänder oder -files zum Masterband setzen Mastering-Ingenieure ebenfalls häufig Kompression ein. So entsteht ein insgesamt gleichmäßigeres Signal mit weniger Pegelsprüngen.

Zudem kommt in der Regel ein Limiter zum Einsatz, der kurzzeitige Pegelspitzen abschwächen oder sogar abschneiden soll. So lässt sich das Summensignal (meist Zwei-Spur-Stereo) zu einem hohen Pegel verstärken, ohne dass es zu Übersteuerungen kommt.

Dabei wird ein fester Schwellenwert eingestellt, den der Pegel niemals überschreiten soll. Auf diese Weise entsteht eine Art Lautstärke-Barriere, über die auch die lautesten Passagen nicht überschreiten.

Dieses Vorgehen ist notwendig, um beispielsweise das Übersteuern in Form von hörbaren Verzerrungen zu verhindern. Im TV sind die Werbeblöcke stets hochkomprimiert und limitiert und wirken so deutlich lauter als das restliche Programm.

Wie unterscheidet sich analoges Übersteuern von digitalem Übersteuern?

Bevor die digitale Technik Einzug in Tonstudios hielt, waren analoge Masterbänder das Maß aller Dinge. Die Kunst der Aufnahme bestand darin, das aufzunehmende Signal möglichst laut auf dem Band zu konservieren, damit das leise aber stetige Bandrauschen übertönt wurde. Gleichzeitig galt es, zu große Übersteuerungen zu verhindern, die als störende Verzerrungen wahrzunehmen wären. Leichtes Übersteuern des Signals auf dem Band wurde dagegen bewusst in Kauf genommen, teilweise sogar als künstlerisches, gewolltes Mittel eingesetzt. Denn bei leichten Übersteuerungen auf analogem Band tritt zunächst die sogenannte Bandsättigung ein. Also eine natürlich klingende und als warm empfundene harmonische Verzerrung und Kompression.

Die ersten LPs von Led Zeppelin gelten als Meisterwerke der kalkulierten Bandsättigung. Auch die Produktionen von Jimmy Iovine wie etwa Easter von Patti Smith arbeiten intensiv mit Bandsättigung.

Patti Smith Group Easter: Beide Masters wurden stark komprimiert. Für die US-Pressung (unten) wurde sogar eine vergleichsweise leise Passage noch etwas hochkomprimiert (Pfeil).
Patti Smith Group Easter: Beide Masters wurden stark komprimiert und limitiert. Für die US-Pressung (unten) wurde sogar eine vergleichsweise leise Passage noch etwas hochkomprimiert (Pfeil).

Der Bandsättigungseffekt lässt sich auf digitalen Speichermedien nicht nutzen. Hier werden Übersteuerungen als störendes digitales Clipping empfunden. Hier geht es also darum, einen hohen Pegel ohne Clipping zu erzeugen.

Moderne Masteringstudios setzen deshalb eine Reihe von Methoden ein, um die Lautheit bis knapp unter dem maximalen Pegel von -0dB zu erhöhen. Mit der Hilfe von digitalen Brick-Wall-Limitern sind sie in der Lage, ein Audiosignal vorausschauend zu bearbeiten und so den Pegel ohne Verzögerung zu begrenzen.

In vielen Fällen sind deshalb die CD-Mixe von Wiederveröffentlichungen sehr viel aggressiver komprimiert und limitiert als die Vinyl-Vorbilder. Stark vereinfacht gesagt, lässt sich in einem Limiter das Eingangssignal immer lauter regeln, ohne befürchten zu müssen, dass Übersteuerungen auftreten. Denn zu hohe Pegel werden vom Limiter einfach abgeschnitten. Dies lässt sich gut am Beispiel von Peter Gabriel III erkennen.

Peter Gabriel - III: Der Fassung von 2015 (unten) liegt das digitale CD-Master zugrunde. Leise Passagen wurden lauter gemacht, in lauten Passagen gibt es weniger "Luft" die Pegelspitzen bilden ein wesentlich engeres Muster.
Peter Gabriel – III: Der Fassung von 2015 (unten) liegt das digitale CD-Master zugrunde. Leise Passagen wurden lauter gemacht, in lauten Passagen gibt es weniger „Luft“ die Pegelspitzen bilden ein wesentlich engeres Muster.

Analoge Limiter oder Kompressoren können normalerweise nicht vorausschauend arbeiten. Sie reagieren auf das Signal, wodurch eine minimale Reaktionszeit von ein paar Millisekunden entsteht. Also blieb ungewollt ein Rest von Dynamik.

Der Kampf um Lautheit entwickelt sich zum Loudness War

Der Kampf um Lautheit (nicht Lautstärke) wie wir ihn heute kennen, begann wahrscheinlich schon im Jukebox-Zeitalter. Motown-Singles hatten der Ruf, am lautesten zu klingen und sich so am besten im hohen Nebengeräuschpegel einer Bar durchzusetzen. Motown setzte zu diesem Zweck neben Kompression und vielen anderen heute üblichen Methoden das schon in den 1960er Jahren Half-Speed-Mastering ein. Auch von Paul McCartney ist bekannt, dass er Motown-Hits ganz genau untersuchte und die Aufnahme- und Masteringtechniken kopierte, damit die Singles der Beatles lauter klangen.

Am Anfang des CD-Zeitalters wurde Lautheit erneut wichtiger. Vinyl-Schallplatten waren damals noch das vorherrschende Medium, doch zunehmend wurden von den existierenden analogen Bändern CD-Sampler hergestellt. Künstler und Produzenten stellten dabei fest, dass ihre Stücke leiser wirkten als die der anderen Interpreten und forderten Nachbesserung, damit sie mit den anderen „mithalten“ konnten.

Allzu aggressive Lautheit und Kompression führte bei Vinyl-Veröffentlichungen noch dazu, dass LPs oder Maxis nicht mehr abspielbar waren. Im CD-Zeitalter fielen diese physikalischen Grenzen.

Mit dem Aufkommen von MTV und immer mehr Rock-Radiostationen wurde es für Künstler und Plattenfirmen immer wichtiger, in die Liste der „Heavy Rotation“ zu kommen, um einen Song oder ein Album erfolgreich zu machen. Deshalb musste Musik im Idealfall schon „radiofreundlich“, also mit großer Lautheit – angeliefert werden.

Es entstand unter Musikproduzenten ein regelrechter Wettbewerb, wer die lauteste Aufnahme produzierte. Dieser übermäßige Einsatz von Dynamikkompressoren sowohl bei der Abmischung als auch der Übertragung von Musik, steigerte die Lautheit zu Lasten der Klangqualität.

Dieser Trend wird auch als Loudness War bezeichnet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Um dem Loudness War Herr zu werden, haben Streaming-Plattformen Vorgaben für die durchschnittliche Lautheit von Songs erstellt. So dürfen bei YouTube und Spotify Musikstücke eine durchschnittliche Lautheit von -14 LUFS (entspricht ungefähr -14 dB) nicht überschreiten. Bei Itunes lautet die Vorgabe sogar -16 LUFS, hier wird Musik in der Regel also etwas dynamischer wiedergegeben.

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