Kann eine Neuauflage besser klingen als das Original? Bei Wish You Were Here haben wir einen dieser seltenen Fälle gefunden.
Wie entstand Wish You Were Here von Pink Floyd?
Wish You Were Here ist das neunte Studioalbum von Pink Floyd. Es erschien 1975 als Nachfolger des Mega-Sellers The Dark Side Of The Moon und wurde komplett in den Abbey Road Studios aufgenommen.
Die Aufnahmen verliefen insgesamt schwierig. Laut Roger Waters habe die Band sogar diskutiert, ob sie sich nach Fertigstellung des Albums auflösen sollten. Stattdessen entschied sich Pink Floyd für einen musikalischen Richtungswechsel, der mit dem Folgealbum Animals vollzogen wurde.


In den Songs Wish You Were Here und dem gleich in zwei mehrteiligen Suiten vertretenen Shine On You Crazy Diamond beschäftigt sich das Album mit Syd Barrett, dem Gründungsmitglied der Band, das sieben Jahre vorher wegen psychischer Probleme die Gruppe verlassen hatte. Und dann geschah etwas, das niemand vorhersehen konnte: Ausgerechnet während der Gesangsaufnahmen für Wish You Were Here schneite Barrett überraschend im Studio vorbei. Seine langjährigen Mitmusiker erkannten ihn erst gar nicht, da er sich optisch stark verändert hatte.
Welche Versionen von Wish You Were Here vergleichen wir?
Pressung 1: Die deutsche Erstpressung aus dem Jahr 1975 erschien bei Harvest und wurde in Deutschland von EMI Electrola vertrieben. Sie besitzt eine bedruckte Innenhülle und steckt in einem Single Sleeve. Es gibt keine gesicherten Angaben zum Presswerk, das Vinyl wiegt 142g.
Pressung 2: Die Reissue-LP aus dem Jahr 2016 erschien dagegen beim bandeigenen Label Pink Floyd Records und wurde von Bernie Grundman vom analogen Master neu gemastert und von einem digitalen Masterfile geschnitten. Andschließend wurde bei Optimal Media in Deutschland auf 200g Vinyl gepresst. Die LP steckt in einer schwarzen Plastikhülle, darin befindet sich das Single Sleeve mit dem bekannten Covermotiv von Hipgnosis und eine bedruckte Innenhülle, wie beim Original. Zudem wurde für dieser liebevoll gemachten Neuauflage die originale Postkarte mit gezackten Rändern beigelegt.
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Wie unterscheiden sich die Pegel und Dynamik der 1975er- und der 2016er-Pressung?

Das Wellenform-Diagramm für Shine On You Crazy Diamond (1-5) zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den Pressungen. Die Erstpressung hält über weite Strecken den Maximalpegel, während die Neuauflage sich in leisen Passagen (Pfeile) deutlich weiter zurückhält. Dadurch schafft die 2016er mehr Raum für Dynamik. Die 1975er wurde mutmaßlich für Radio-Airplay optimiert und deshalb per Kompressor/Limiter im Dynamikumfang begrenzt.

Auch das Diagramm für Welcome To The Machine offenbart erneut den geringeren dynamischen Umfang der 1975er. Während im oberen Diagramm für die deutsche Erstpressung die Pegelspitzen auf gleiche Länge gestutzt werden, schlagen die Transienten im Diagramm für die Neuauflage ganz unterschiedlich weit aus. Auf diese Weise gibt sie viel mehr dynamische Feinheiten wieder als die deutsche Erstpressung von 1975.

Im Unterschied zu den vorigen Songs, die zwischen sehr lauten und sehr leisen Passagen wechseln, bleibt das rockige Have A Cigar über die meiste Zeit im ungefähr gleichen Modus. Doch auch hier lässt die 2016er mehr dynamische Feinheiten zu als die 1975er. Im Hörtest waren diese jedoch weitaus schwerer nachzuvollziehen als in den zuvor gespielten Sücken.

Ganz besonders deutlich wird dieser strukturelle Unterschied im Wellenform-Diagramm für Wish You Were Here. In diesem Stück sind die Wechsel zwischen laut und leise ein entscheidender Teil des Arrangements. Die Zurückhaltung der 2016er in den leisen Stellen belohnt den Hörer beim Wechsel in die Tutti-Passagen mit einer viel dramatischeren Wirkung. „Gänsehautentzündung“, würde ein bekannter deutscher Fussballexperte dazu sagen.

Und auch der letzte Song des Albums, Shine On You Crazy Diamond (6-9), profitiert vom Remastering. Erneut bleibt die 2016er viel länger leise (Pfeile), wenn die 1975er schon längst den Maximalpegel wiedergibt. Audiophile Hörer auf der Suche nach ungehörten Details werden hier fündig.
Wie unterscheidet sich die Loudness der 1975er- und der 2016er-Pressung?


Mit dem Youlean Loudness Meter messen Toningenieure in Studios und Rundfunkstationen die Lautheit von Tonsignalen. Was Lautheit anrichten kann, kennen wir aus dem Werbeblock beim Fernsehen. TV-Spots sind in aller Regel auf maximale Lautheit getrimmt. Für Audiophile ein Graus. Je niedriger der gemessene Wert in der Einheit LUFS (Loudness Units relative to Full Scale) ausfällt, desto mehr Platz bleibt für Dynamik. Für die Seite 1 von Wish You Were Here stellten wir in der Variante von 1975 -17,5 LUFS integrated fest, für die 2016er-Version waren es nur -22,0 LUFS integrated. Die 1975er ist also um etwa 4,5 dB lauter als die Neuauflage.


Für die Seite 2 der 1975er-Pressung ermittelte der Loudness Meter nochmal -17,5 LUFS integrated, -22,4 LUFS integrated waren es bei der 2016er. Der Unterschied fällt also nochmal um einen Tick größer zugunsten der 2016er aus als bei der Seite 1. Lautheit lässt sich im Diagramm an den langen engen, roten Schläuchen erkennen, die sich auf der 1975er viel häufiger zeigen. Leise Passagen sind an breiteren roten bzw. gelben oder gar grünen Passagen erkennen. Und unter Dynamik versteht man den Wechsel vom einen zum anderen – also von leise nach laut oder umgekehrt.
Wie unterscheiden sich die die Frequenzspektren der beiden Pressungen?

Das Spektrogramm für Shine On You Crazy Diamond (1-5) unterscheidet sich nur in Details. Beide Varianten spielen bis in die höchsten Frequenzbereiche, die Menschen nicht mehr hören. Auffällig sind jedoch die „Streifen“ die das Diagramm für die 2016er im Bereich um 16.000 Hertz sowie schwächer rund um 18.000 Hertz aufweist. Die entsprechenden Frequenzen wurden also stärker betont, als beim Master der 1975er-Pressung.

Um solche engen Frequenzbereiche hervorzuheben, setzen Toningenieure sogenannte parametrische Equalizer mit steilen Flanken ein. Auf diese Weise lassen sich die Eingriffe im Klangspektrum präziser durchführen. Das Spektrogramm für Welcome To The Machine weist für beide Varianten dieselben Betonungen bei etwa 8000 Hertz und 11.000 Hertz auf. Doch nur die 2016er betont erneut die 16.000 Hertz.

Im Spektrogramm für Have A Cigar reichen die Ausschläge der 2016er in wesentlich höhere Frequenzbereiche als die der 1975er. Außerdem gibt es wieder die charakteristischen Eingriffe bei 16.000 Hertz und 18.000 Hertz, die uns auch schon bei früheren Remasters von Bernie Grundman aufgefallen sind.

Das Spektrogramm für Wish You Were Here weist dagegen für die 1975er etwas stärkere Ausschläge in die obersten Lagen aus. Ansonsten ähneln sich die beiden Spektrogramme stark – bis auf den obligatorischen Streifen bei 16.000 Hertz eben.

Im Spektrogramm für Shine On You Crazy Diamond (6-9) zeigt sich die 1975er von ihrer besten Seite. Alle Frequenzbereiche werden bruchlos abgebildet. Im Vergleich dazu erscheinen beider 2016er die Frequenzen oberhalb des Streifens bei 16.000 Hertz weitgehend abgeschnitten.

Alle bisher gezeigten Spektrogramme weisen eine lineare Skala auf. Mit dieser Skalierung lassen sich die mittleren und hohen Frequenzbereiche besonders gut beleuchten. Um die tiefen Register zu vergleichen, eignet sich die logarithmische Skala. Im Spektrogramm für Pink Floyd – Shine On You Crazy Diamond (1-5) zeigt sich an den größeren violetten Flächen ein leichter Vorteil im Bass für die 1975er. Allerdings besitzt die deutsche Erstausgabe eine höhere Lautheit. Und bei einem Anstieg der Lautheit werden die Bässe überproportional gepusht. Also war‘s dann doch nix mit dem Vorteil im Bass. Der Hörtest muss entscheiden.
Wie gut klingt die 1975er-Pressung von Wish You Were Here?
Höhen: Im Hochtonbereich gibt sich die deutsche Erstpressung keine Blöße. Die Becken glänzen und schimmern, wie es sich gehört. Wenn man etwas bemängeln möchte, dann fehlt in den lauten Passagen etwas die Luft.
Mitten: In den lauten Passagen konkurrieren dank der starken Kompression die Instrumente etwas zu sehr um Aufmerksamkeit. Dadurch klingen die Mitten, hier vor allem Gitarre und Keyboard gelegentlich etwas angestrengter als nötig. Das kann die Neuauflage besser.
Bässe: Der Bassbereich schiebt druckvoll und stets kontrolliert an. Beim Mastern wurde hier eine gute Balance gewahrt.
Laufruhe: Für eine mehr als 45 Jahre alte Schallplatte läuft die deutsche Erstpressung wie eine Eins. In den leisen Passagen und zwischen den Stücken finden sich nur wenige Knackser und auch die Hintergrundkulisse ist besser als bei manchem brandneuem Reissue.
Dynamik: Die Arrangements sorgen an sich schon für große Dynamik. Und natürlich werden diese groben dynamischen Unterschiede sehr effektvoll wiedergegeben. Aber in den lauten Passagen fehlt die Feindynamik. Durch den stärkeren Einsatz des Kompressors verliert das Klangbild die Natürlichkeit.
Instrumententrennung: Wish You Were Here ist ein so hervorragend produziertes Album, dass sich die Instrumente selbstverständlich klar orten und jederzeit voneinander trennen lassen.
Wie gut klingt die 2016er-Pressung von Wish You Were Here?
Höhen: Es zieht sich wie ein roter Faden durch den Vergleich: Dank der geringeren Kompression bleibt die 2016er luftiger in den Höhen. Die Unterschiede sind nicht riesig aber doch beim konzentrierten Hören wahrnehmbar.
Mitten: Das Plus an Feindynamik macht sich gerade in den Mitten wohltuend bemerkbar. Mehr Nuancen im Gesang oder dem Gitarrenspiel verbessern das Hörerlebnis um einen Tick
Bässe: Hier gilt dasselbe wie bei der Erstpressung. Nicht zu viel, nicht zu wenig – und immer schön straff.
Laufruhe: Längst nicht alle Pressungen aus den vergangenen Jahren laufen so ruhig und geräuscharm wie diese. Hier gibt es nichts auszusetzen.
Dynamik: In punkto Dynamik hat die Neuauflage ganz klar die Nase vorn. Leises bleibt länger leise, der Wechsel zum Lauten gerät dadurch noch etwas wirkungsvoller. Zudem gibt die 2016er mehr feindynamische Nuancen wieder. Bernie Grundman hat hier beim Remastering einen fantastischen Job gemacht.
Instrumententrennung: Mit Blick auf die Instrumententrennung unterscheiden sich die beiden Pressungen nicht, beide liefern einen vorbildlich ausgewogenen Mix mit scharf umrissenen Positionen und Frequenzbereichen für alle Instrumente.
Titelliste
Side 1
- Shine On You Crazy Diamond (1-5)
- Welcome To The Machine
Side 2
- Have A Cigar
- Wish You Were Here
- Shine On You Crazy Diamond (6-9)
Interpret | Pink Floyd | |
Titel | Wish You Were Here | |
Label | Harvest, EMI Electrola | Pink Floyd Records |
Katalognummer | 1 C 064-96 918 | PFRLP9 |
Veröffentlicht | 1975 | 2016 |
Format | 12“ | 12“ |
Umdrehungen/Minute | 33 1/3 | 33 1/3 |
Cover | Single Sleeve | Single Sleeve |
Beigaben | Bedruckte Innenhülle | Schwarze Plastikhülle in wiederverschließbarer Außenhülle, bedruckte Innenhülle, Postkarte |
Lackschnitt | k.A. | Bernie Grundman |
Presswerk | k.A. | Optimal Media |
Matrix-Runout | 96 918 A – 2 96 918 B – 2 | 5099902987613-A 51[Mirrored] BG24222-01 A¹ BG 5099902987613-B =4[Mirrored] BG24222-01 B¹ BG |
Auflage/Limitierung | – | – |
Fortlaufende Nummer | – | – |
Herstellungsland | Deutschland | Deutschland |















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